Starkbeben in Jerusalem

In dieser Serie beschäftigt sich der Autor mit dem realen Szenario, das Jerusalem in naher Zukunft von einem Starkbeben erschüttert und dabei die Al-Aqsa-Moschee, der Felsendom, grosse Teile der Altstadt und der Grenzbefestigung zerstört werden. Die geopolitischen Folgen eines solch spektakulären Ereignisses sind nicht kalkulierbar, es stünde nichts weniger auf dem Spiel – als der Weltfrieden.


Wir bauen ein Haus auf einen 30 Millionen Jahre alten Grabenbruch und erklären es für heilig. Damit stellen wir den Weltfrieden auf ein paar aufgetürmte Steine und hängen unser Schicksal an einen seidenen Faden. Zu so etwas ist nur eine einzige Spezies fähig – der Mensch. Man könnte fast meinen, je klüger, umso dümmer. Während Religion und Wissenschaft nicht miteinander verkehren, gehen Wissenschaft und Ideologie trotz wieder- kehrenden Missgeburten immer wieder miteinander ins Bett. Nichts ist gefährlicher als religiöse und ideologische Eitelkeit. Nun denn, schauen wir es uns an.

Der Jordangraben

Von Syrien bis zum Golf von Akaba zieht sich eine bedeutsame Erdbebenzone. Die Totes-Meer-Verwerfung oder der Jordangraben ist ein rund 30-Millionen Jahre alter Grabenbruch. Hier verläuft auf einer Länge von etwa tausend Kilometern die Grenze zwischen der arabischen und der afrikanischen Kontinentalplatte. Die arabische Platte bewegt sich nach Nordosten und schrammt dabei an der eurasischen Platte entlang, sodass sich immer wieder Spannungen in der Verwerfung aufbauen und sich anschließend als Erdbeben entladen.

Hier befindet sich das Gegenstück zum Gipfel des Mount Everest. An dieser markanten Verwerfung sind Teile der Erdkruste zusammengebrochen und liegen bis zu 420 Meter unter dem Meeresspiegel. Damit ist dies der tiefste Punkt der festen Landoberfläche der Erde. Der Jordan hat sich in der tiefen Schlucht sein Bett gesucht. Auch das Tote Meer und der See Genezareth liegen im Jordan-Graben. Das Tote Meer ist der tiefste Sammelpunkt der Erde, sein Wasserspiegel liegt 420 Meter unter dem Meeresspiegel – das Ufer des Toten Meeres ist somit der tiefste Ort der Erde, der nicht von Wasser bedeckt ist. Diese tektonische Verwerfung hat bei der Absenkung des Grabens auch den Sikh geschaffen, den gewaltigen Eingangscanyon zu Petra in Jordanien.

Am Westufer des Jordans, in der Mitte des Jordan-Grabens, liegt die tiefstgelegene Stadt der Welt; Jericho, eine der ältesten Städte der Welt. Erste Siedlungsspuren gehen bis vor 10`000 Jahre v. Chr. zurück.

Jerusalem

Auf der linken Seite, am nördlichen Ende des Toten Meeres, liegt auf einer Anhöhe eine der ältesten und heiligsten Stätte der Menschheit. Die Juden nennen die Stadt »ir HaKodesh«, die Christen »Terra Sancta« und die Muslime »al-Quds«: Jerusalem. Keine andere Stadt steht derart im Weltfokus. Sowohl Juden als auch Moslems und Christen machen Ansprüche auf den Nabel der Welt geltend.

Erst kürzlich wurde die seit jeher zerbrechliche Koexistenz erneut durch Unruhen erschüttert. Das Jerusalemer Magisterratsgericht gab der Klage eines Rabbiners statt und erlaubte jüdische Gebete auf dem Tempelberg in Jerusalem. Die terroristische Organisation Hamas bezeichnete diese Entscheidung als Kriegserklärung.

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Historischer Überblick

Der Tempelberg ist ein Hügel im Südostteil der Jerusalemer Altstadt, oberhalb des Kidrontales. Auf seinem Gipfel befindet sich ein künstliches Plateau. Ursprünglich standen hier der salomonische Tempel und der nachfolgende herodianische Tempel. Heute befinden sich dort der Felsendom und die Al-Aqṣā-Moschee. Der Tempelberg ist der umstrittenste heilige Ort der Welt. An dieser Stelle errichteten die Israeliten vor 3000 Jahren den ersten Tempel – Baubeginn 957 v. Chr. Im Tempel befand sich das Hauptheiligtum des Judentums, das Mishkan „Gottes Heimstätte auf Erden“. Im Allerheiligsten, welches nur einmal im Jahr durch den Hohepriester betreten werden durfte, wurde die Bundeslade aufbewahrt.

Als Nebukadnezar II. Jerusalem eroberte, ließ er den Tempel 586 v. Chr. zerstören. Nach ihrer Rückkehr aus dem babylonischen Exil errichteten die Juden an derselben Stelle den zweiten Tempel – Fertigstellung 516 v. Chr.

Von Herodes dem Großen monumental ausgebaut, wurde der zweite Tempel im jüdisch-römischen Krieg im Jahre 70 n. Chr. durch die Römer erneut zerstört. Die Zerstörungen beider Tempel im Abstand von 655 Jahren, die nach der jüdischen Überlieferung beide am 9. Aw stattfanden, bilden zentrale Punkte in der jüdischen Geschichte (Aw ist der fünfte Monat des religiösen jüdischen Kalenders und fällt im gregorianischen Kalender meist in die Zeit von Juli und August).

Der erhoffte Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem und das ersehnte Anbrechen der messianischen Zeiten ist die finale Bestimmung des jüdischen Glaubens. Die West- oder Klagemauer ist ein Überrest der Mauern, die das ursprüngliche, künstlich erweiterte Tempelplateau stützen. Viele Juden gestalten dort Gebete und viele Menschen hinterlassen Gebetszettel/Bitten in den Mauerspalten.

Nach der Zerstörung des zweiten Tempels und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Jerusalem entstand auf dem Tempelberg zunächst ein römischer Jupiter-Tempel, später eine christliche Kirche.

Im Islam gilt der Tempelberg als die dritt heiligste Stätte nach Mekka und Medina. Von hier soll der Prophet Mohammed seine Nachtreise (Sure 17, Vers 1) zu der »entferntesten Moschee« unternommen haben. Die Al-Aqsa-Moschee wurde jedoch erst 90 Jahre nach dem im Koran geschilderten Ereignis erbaut.

Im Jahr 638 n. Chr. eroberte der Kalif Umar ibn al-Chattab Jerusalem und ließ am Ort der heutigen Al-Aqsa-Moschee das erste Moscheegebäude aus Holz erbauen. Der Bau des Felsendoms wurde vom Kalifen ʿAbd al-Malik ibn Marwān und seinem Sohn und Nachfolger Al-Walīd ibn ʿAbd al-Malik von 687 – 691 n. Chr. durchgeführt.

Nachdem der Kalif Abd al-Malik den Felsendom um 692 fertiggestellt hatte, ordnete er auch den Abriss seines hölzernen Vorgängers und den Bau der steinernen al-Aqsa-Moschee an seiner Stelle an.

Bei der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 tötete das Heer des Ersten Kreuzzugs hier viele Menschen, die in der Moschee Schutz gesucht hatten. Das Kreuzfahrer-Königreich von Jerusalem nutzte das Gebäude ab 1104 vorübergehend als Königspalast, bevor ein neuer Komplex in der Nähe des Davids Turms fertiggestellt wurde. Während dieser Zeit wurden die Grundmauern abgerissen, um Platz für Ställe und Lagerräume zu schaffen.

Nach der Auflösung des Königspalastes überließ König Balduin II. von Jerusalem 1119/1120 einen Flügel des Gebäudes als Hauptquartier dem neu gegründeten Orden der »Armen Ritter Christi« unter Hugo von Payns und Gottfried von Saint-Omer, die sich bald darauf nach diesem Ort als Orden der Tempelritter bezeichneten und das Gebäude für ihre Zwecke ausbauten.

Nach der Wiedereroberung Jerusalems von Saladin wurde das Gebäude wieder in eine Moschee umgewandelt. Am 9. Oktober 1187 nahm Saladin an einem großen Dankgottesdienst teil. Nach dem Frieden von Jaffa von 1229 zwischen Friedrich II. und al-Kamil, als die Kreuzfahrer Jerusalem zurückeroberten, blieb die Moschee in muslimischer Obhut, ebenso wie das gesamte Tempelviertel mit dem Felsendom.

Jerusalem ist ein Pulverfass und der Tempelberg die Lunte

Obgleich Mekka mit der Kaaba weiterhin als das spirituelle Zentrum des Islams angesehen wird, ist Jerusalem mit dem Haram al-Sharif zum religionspolitisch explosivsten Ort der muslimischen Welt geworden.

Der islamische Rechtstitel auf den Tempelberg gilt als unveränderbar und unveräußerbar – vom Anfang der Welt bis zu deren Ende. Scheich Muhammad Hussein, Direktor der Al-Aqsa-Moschee, erklärte dem jüdischen Journalisten Gershom Gorenberg: »Al-Aqsa ist ein heiliger Platz des Islams. Dieser hat nie zu irgendetwas anderem gehört. Er wurde von Gott selbst Al-Aqsa genannt.«

Als der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und der amerikanische Präsident Bill Clinton den Palästinensern (2000) den Vorschlag machten, an der Nordost Seite des Tempelberges eine Synagoge zu bauen, da lehnte das Jasser Arafat mit den folgenden Worten ab: »Solche Argumente sind hochexplosiv und werden ein massives Feuer in der Region entfesseln […] Verlangen Sie von mir, dass wir die Region in ein neues Zeitalter der Religionskriege hineinwerfen?« Es war nicht zuletzt Arafat, der immer wieder die muslimische Bedeutung des Haram hervorhob. »Zeigt mir einen Araber, der Jerusalem betrügen würde, einen einzigen Palästinenser, der die heiligen Plätze der Muslime betrügen würde.« – argumentierte der Palästinenserchef.

Die Wellen schlugen hoch, als sich die israelische Regierung 2004 weigerte, dass der verstorbene Palästinenserführer auf dem Haram al-Sharif beerdigt werde. Tommy Lapid, Israels Justizminister, sagte damals: »Wir wissen nicht, wo er begraben wird. Sie müssen wählen, wo sie ihn begraben. Aber er wird nicht in Jerusalem begraben, weil Jerusalem die Stadt ist, wo die jüdischen Könige begraben wurden und nicht arabische Terroristen.«

Auch andere hohe palästinensische Politiker wie Jeries Soudah halten den Tempelberg für nicht verhandelbar. »Prinzipien der Verhandlung über dieses Stück Eigentum, sind in der arabischen Welt nicht akzeptabel. Man kann über Ost und West Jerusalem verhandeln. Aber wenn die Sprache auf den Tempelberg kommt, gibt es eine solche Verhandlung nicht – selbst wenn uns das in den Dritten Weltkrieg treiben würde.« Es sei mehr als Klugheit, die Jerusalem- und die Tempelberg-Frage bei den sich wieder anbahnenden Friedensverhandlungen über den Nahen Osten außer Acht zu lassen. »Jerusalem ist ein Feuerball und wenn dieser Feuerball explodiert, wird er alle anderen Dinge verbrennen.« – warnt Ahmed Abdel Rahman, Generalsekretär des palästinensischen Kabinetts.

Alle Politiker wissen um die globale Bedeutung des Nahostkonfliktes für den Weltfrieden. »Wenn Frieden zwischen uns [Israelis und Palästinensern] ist, dann wird es Frieden in der ganzen Region geben und Frieden in der Welt, weil die ganze Welt das Palästinaproblem als die Ursache des Konflikts sieht.« – erklärte der palästinensische Ministerpräsident Mahmoud Abbas nach dem Abzug der Israelis aus dem Gaza-Streifen. Das ist ein schöner Satz, aber noch in demselben Interview lässt Abbas die bedauerlichen Worte verlautbaren: »Jegliche Teilung des Eigentums und der Staatsaufsicht über den Tempelberg schließen wir aus.«

Mahmoud Abbas ist ein palästinensischer Führer der Fatah-Bewegung. Er war 2004 Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), 2005 Präsident der Palästinensischen Behörde (PA) und 2008 Präsident des Staates Palästina. Seit dem 10. Januar 2009 ist Abbas ohne demokratische Legitimation im Amt.

Öl- und Gasförderung gleich Erdbebengefahr

Öl- und Gasförderung lösen immer mehr Erdbeben aus. Menschengemachte Erdbeben bedrohen Millionen Menschen. In die Tiefe gepumptes Abwasser der Öl- und Gasförderung lässt vormals erdbebenfreie Gebiete immer öfter erschüttern. Durch die Förderung von Öl und Gas schrumpft sozusagen das Reservoir, und auch das erzeugt in der Umgebung Spannungen, die zu Erdbeben führen können. Die Erdbebenhäufigkeit in Israel hat in den letzten 18 Jahren stark zugenommen.

StärkeErdbeben von 1900 bis 2004Erdbeben von 2004 bis 2022
> 61
5-6101
4-56735
3-44793
2-31234
<219
Total 137Total 182

Von den USA, über die Niederlanden, Deutschland, der Schweiz, Italien, bis nach Israel, überall kommt es zu Erderschütterung durch die Öl- und Gasförderungen. Die Sicherheit von Millionen Menschen wird durch Profitgier und einseitigem Sicherheitsdenken gefährdet.

Lange Zeit war Israel beim Erdgas von Importen abhängig. Erst mit der Offshore-Förderung im Mittelmeer wurde es von diesen Importen unabhängig und begann 2017 mit dem Export. Während Israel in den Gefährdungsbereichen Gesellschaft und Technik weltweit führend ist, fristet der Gefahrenbereich Natur ein Schattendasein.

Diese ins Auge springende Vernachlässigung wird nicht nur Israel, sondern den gesamten Nahen Osten und die ganze Welt teuer zu stehen kommen. Der Staat Israel und die Waqf-Behörde Jerusalem (die islamische Stiftung, die die heiligen islamischen Stätten auf dem Tempelberg in Jerusalem verwaltet) haben eine ganz besondere Verantwortung als Hüter der heiligsten und umstrittensten Stätte der Welt, und sie werden ihr nicht angemessen gerecht.

Unter dem Namen »Truaa«, was »Trompetenstoß« bedeutet, hat Israel Anfang 2022 ein neues Erdbebenwarnsystem eingeführt. Das System alarmiert die Bevölkerung per Handy und soll den betroffenen Regionen einige Sekunden Zeit geben, sich ins Freie zu begeben. Wie dies nachts oder in Krankenhäusern und Altenheimen umgesetzt werden soll, ist mehr als fraglich. Es ist eine Alibi-Lösung, wie sie für Politiker nicht typischer sein könnte. Die eigentliche Gefahr, die »Apokalypse namens Tempelberg« ist damit keineswegs entschärft. Denn eines haben die Menschen bis ins 21. Jahrhundert nicht verstanden: Es gibt keine Sicherheit ohne soziale Gerechtigkeit.

Jack Kabey

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