Medienmanipulation im Blick – Gestern Corona-Leugner, heute Putin-Versteher

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Das Schmierblatt Blick scheint sich in der arroganten Kunst der Selbstbeweihräucherung zu suhlen, indem es den Schriftsteller und Kolumnisten Thomas Meyer als scheinbaren »Lebensberater«, »Hobbypsychologen« und »Scheinexperten« auf einem Terrain präsentiert, auf dem er höchstens oberflächliche Ahnungslosigkeit vorweist. Diese erstaunliche artistische Verrenkung dient offenkundig dem Zweck, gezielte Propaganda zu begünstigen. Die volksverhetzenden und diffamierenden Tiraden in diesem Meinungsblatt werden dem Leser jedoch ohne jegliche Skrupel als unerschütterliche Fakten untergejubelt.

Die Technik der dritten Person arbeitet nach dem Prinzip, dass Menschen eher bereit sind, ein Argument zu akzeptieren, wenn es von einer vermeintlich unabhängigen Quelle stammt, anstatt von jemandem, der persönlich am Ergebnis interessiert ist. Diese Strategie wird oft im Marketing angewendet und häufig von PR-Firmen genutzt. Dabei wird eine vorbereitete Botschaft in den Medien platziert. Die Technik kann verschiedene Formen annehmen, von der Einbindung von Journalisten, um eine Organisation positiv darzustellen, über den Einsatz von internen Wissenschaftlern bis hin zu Personen wie dem Kolumnisten Meyers, der voreingenommene Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert, um den Eindruck von Neutralität zu erzeugen.

Diese Darstellung gleicht einer wahrhaftigen Lehrstunde in Medienmanipulation. Ein beeindruckendes Ensemble von nicht weniger als 22 Manipulationstechniken wird hier gekonnt inszeniert. Eine Art Goldstandard im Handbuch derjenigen, die das Handwerk der Täuschung auf das Podest der Perfektion heben möchten. Man kann fast den Applaus der Propaganda-Enthusiasten im Hintergrund hören.

Gestern Corona-Leugner, heute Putin-Versteher
Gestern Corona-Leugner, heute Putin-Versteher (Blick, 19.08.2023)

Schon der Titel bedient sich der wohl bekanntesten Propaganda-Technik Ad nauseam: Der lateinische Begriff »Ad nauseam«, wörtlich übersetzt als »bis zur Übelkeit«, beschreibt die fortwährende und endlose Wiederholung einer Aussage, insbesondere in Gestalt eines simplen und leicht einprägsamen Slogans oder eines politischen Schlagworts. Diese Wiederholungen erfolgen in solcher Frequenz, bis sie letztlich als faktische Gegebenheit akzeptiert werden und jeglicher Widerspruch verstummt.

Warum sind die Corona-Leugner jetzt plötzlich zu Putin-Freunden geworden? Was hat das miteinander zu tun?

Framing: Durch die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden, fördern Medien eine bestimmte Sichtweise oder Interpretation. Das »Rahmen« von Geschichten beeinflusst unsere Wahrnehmung. Dies geschieht hier mit der Titulierung »Corona-Leugner« und »Putin-Freunden«.

Suggestive Fragen: Der vorliegende Meinungsbeitrag nutzt suggestive Fragestellungen als Einstieg, um bestimmte Antworten oder Reaktionen hervorzurufen, die im Einklang mit den beabsichtigten Narrativen bezüglich des Corona und Ukraine-Konflikt stehen. Waren es im Titel noch Putin-Versteher, sind es nun schon Putin-Freunde.

Thematisch nichts. Aber emotional sehr viel. Es geht um das, was die Betroffenen «Mainstream» nennen und letztlich austauschbar ist – es geht lediglich darum, sich gegen die herrschende Lehrmeinung zu stellen und daraus ein Gefühl intellektueller Überlegenheit und heiliger Rebellion zu schöpfen.

Im Fall der Pandemie besagte die gängige Lehre, dass eine Pandemie überhaupt stattfindet, dass Covid-19 eine tödliche Lungenkrankheit ist und Massnahmen zum Infektionsschutz ergriffen werden müssen.

Im Fall des russischen Angriffskrieges besagt die Lehre, dass Russland überhaupt einen Angriffskrieg führt, dabei das Völker- und Menschenrecht massiv verletzt und scheitern muss.

Im Fall der menschengemachten Erderwärmung wiederum besagt die Lehre, dass die Erderwärmung menschengemacht ist und die Existenz allen Lebens bedroht, wenn sie nicht rasch eingedämmt wird.

Narrative Vereinfachung: Komplexe Ereignisse oder Probleme werden auf einfache, leicht verständliche Narrative reduziert, was jedoch nicht die vollständige Wahrheit widerspiegelt.

Ad hominem: Die Technik kritisiert (generalisierend und hypothetisch) persönliche Eigenschaften des Gegners, anstatt seine Argumente zu widerlegen.

Selektive Berichterstattung: Durch die Auswahl einzelner Aspekte und das Ignorieren anderer wird eine verzerrte Perspektive auf die Ereignisse geschaffen und somit die öffentliche Meinung beeinflusst.

Fehlinformation und Lügen: Obwohl höchst unethisch, werden hier falsche und aus dem Kontext gerissene Informationen verbreitet, um das Corona-, Ukraine-Konflikt und Klima-Narrativ zu fördern.

Argumentum ad verecundiam: Ein Autoritätsappell nutzt Zitate von anerkannten Fachexperten oder prominenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere Wissenschaftlern, um Positionen, Ideen, Argumente oder Vorgehensweisen in einer überzeugenden, allgemein anerkannten, vorbildlichen oder wertvollen Art und Weise darzustellen. Dieses rhetorische Mittel zielt darauf ab, durch die Verbindung mit angesehenen Stimmen eine Aura der Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu schaffen, um die Akzeptanz und Zustimmung seitens des Publikums zu fördern.

Social Proof: Indem Medien bestimmte Meinungen oder Verhaltensweisen als weit verbreitet darstellen, können sie den Druck auf Einzelpersonen erhöhen, sich der vermeintlichen Mehrheitsmeinung anzuschließen.

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Wenn man das so übernimmt, was sich angesichts dessen, dass es sich um erwiesene Fakten handelt, auch dringend empfiehlt, ist das für das Ego natürlich nicht sonderlich spannend. Es kann sich nicht daran aufgeilen, dass es «skeptisch bleibt», «selber denkt» und sich «eine eigene Meinung bildet».

Menschen mit einem schlechten Selbstwert sind jedoch auf jede noch so geringe und noch so idiotische Möglichkeit angewiesen, diesen anzuheben. Da bietet es sich natürlich an, die Dinge, die in der Zeitung stehen, als Lügengebilde einer «dunklen Elite» in Zweifel zu ziehen, das nur die Schlauesten der Schlauen entlarven. Was genau in der Zeitung steht, spielt dabei keine Rolle.

Divide et impera: Die Strategie des »Teile und Herrsche«, auch »Königsmechanismus« genannt, ist ein in Politik und Soziologie angewandtes Konzept, bei dem Macht durch die Zerlegung größerer Machtkonzentrationen in einzelne Elemente gewonnen und erhalten wird. Diese einzelnen Elemente verfügen jeweils über eine geringere Macht als die Gesamtmacht, die die Strategie orchestriert. Die Bevölkerung wird bewusst (wissentlich und willentlich) gespalten.

Verleumdungskampagnen: Eine Verleumdungskampagne ist der Versuch, den Ruf einer Person durch die Verbreitung negativer Propaganda zu schädigen oder in Frage zu stellen. Sie kann sich gegen Einzelpersonen oder Gruppen richten. Sie kann justiziable Fälle von übler Nachrede, Rufschädigung bis hin zum Rufmord umfassen. Ein ähnlicher Begriff ist Negative Campaigning.

Flak: Massive negative Beeinflussung der Öffentlichkeit mit dem Ziel, Organisationen oder Personen zu diskreditieren, die das vorherrschende Meinungsbild in Frage stellen oder ihm widersprechen.

Verstärkung von Vorurteilen: Hier werden bestehende Vorurteile und Stereotype verstärkt, indem eine Gruppe negativ dargestellt wird.

Polarisierung und Emotionalisierung: Schaffung oder Verstärkung von Konflikten und Emotionalisierung in der Berichterstattung, um extreme Standpunkte zu betonen und die Leser zu polarisieren.

Schwarzweiß-Denken: Es werden nur zwei Auswahlmöglichkeiten präsentiert, wobei die vom Autor verbreitete Meinung als die bessere Wahl propagiert wird. (»Sie sind entweder für uns oder gegen uns …«).

Diktat: Dieser Ansatz zielt darauf ab, den Entscheidungsprozess zu vereinfachen, indem sowohl Bilder als auch Worte verwendet werden, um dem Leser präzise Anweisungen für die erforderlichen Schritte zu geben und andere mögliche Optionen auszuschließen.

Gestern Klimawandel-Leugner, heute Putin-Versteher, und morgen wird es ein anderes Thema geben, das Anlass bietet, sich als Luke Skywalker aufzuspielen, der gegen das Imperium kämpft. Nur darum geht es, nie um die Sache – schon gar nicht um Tatsachen.

Falsche Anschuldigungen: Falsche Anschuldigungen in der Öffentlichkeit sind Ausdruck von Aggression, Mobbing und Bullying. Hinter der Selbstinszenierung von Unschuld und Reinheit verbergen sich sadistische Impulse, die darauf abzielen, die Existenz anderer zu zerstören.

Kaffeesatzleserei und Prophezeiungen: Mit Prophezeiungen oder Vorhersagen versuchen Manipulatoren, emotionale Reaktionen hervorzurufen oder Ängste und Erwartungen zu schüren. Diese Prophezeiungen werden bewusst übertrieben, um die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen und eine bestimmte Botschaft zu verstärken.

Absprechen berechtigter Kritik und Vernunft: Indem dem Gegner jegliche berechtigte Kritik und Vernunft abgesprochen wird, versucht der Autor, die Gegenposition zu delegitimieren und zu diskreditieren. Dies geschieht durch die Verwendung abwertender Begriffe, durch Strohmannargumente oder durch die Schaffung eines »Wir gegen die«-Narrativs.

Fazit

Thomas Meyer, der »Meister« der spitzen Feder von Ringiers Gnaden, offenbart lediglich seine Schwäche für inhaltliche Substanz, indem er sie mit einer Überdosis an Impertinenz zu überspielen versucht. Seine verbale Ausgelassenheit, die eher an die Launen eines ungezogenen Rotzlöffels erinnert, zeugt von einem bedauernswerten Mangel an charakterlicher Reife, intellektueller Potenz und geistigem Tiefgang.

Demokratische Werte wie diskursive Kultur, Meinungsfreiheit, wissenschaftliche Integrität, eine aktive Zivilgesellschaft und die Schönheit von Vielfalt und Pluralismus scheinen ihm so fern zu sein wie unseren prähistorischen Vorfahren der aufrechte Gang oder den ersten Menschen die Entdeckung des Feuers.

Doch anstatt auf diesen Boulevard der Nichtigkeiten hereinzufallen, ist es weitaus ratsamer, unsere geistige Energie in Richtung lohnendere Unternehmungen zu lenken. Denn sich mit seinen geistigen Kapriolen abzugeben, gleicht einem Tauchgang in eine Pfütze, in der Hoffnung auf einen Ozean an Gedankenreichtum.

Jack Kabey

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